BEHANDLUNGSPHILOSOPHIE


Die osteopathische Philosophie unterscheidet sich fundamental von jener der klassischen "Schulmedizin". Das Hauptaugenmerk letzterer richtet sich auf Symptomatik & Krankheit sowie deren Unterdrückung & Bekämpfung. Die Osteopathie hingegen konzentriert sich primär auf das Studium des Gesunden (Anatomie & Physiologie) in all seinen Facetten sowie auf das Bestreben, dem Körper zu helfen, seine Selbstheilungskräfte möglichst effizient nutzen und dadurch aus eigener Kraft seine Gesundheit zurück erlangen zu können: "To find health should be the object of the doctor [of osteopathy]. Anyone can find disease." ("Gesundheit zu finden, sollte das Anliegen des Osteopathen sein. Krankheit kann jeder finden."; Zitat A.T. Still.)

Aus osteopathischer Sicht resultiert Gesundheit, wenn die unterschiedlichen Strukturen und Systeme des Körpers in einem harmonischen, dynamischen Gleichgewicht funktionieren & zusammenwirken. Dysbalancen auf Ebene der Gewebe-Dynamik - im Sinne (gerichteter) Funktionsmuster - stellen aus osteopathischer Sicht den Ausdruck eines gesundheitlichen Problems dar: Funktionsmuster gestresster Gewebe beeinflussen die Struktur & Funktion sowohl der lokal betroffenen Gewebe wie auch - mit der Zeit - die des Gesamtorganismusses ("Leben ist Bewegung!" & "Health has no pattern!").

Gesundheit - aus osteopathischer Sicht - ist also überall da anwesend, wo sich Dynamik uneingeschränkt & in Balance (ohne Muster) präsentiert.  Dieser dynamische Ausdruck von Gesundheit ist spürbar.

Im Kontext einer osteopathischen Behandlung gilt es daher, zunächst einmal heraus zu finden, auf welchen Gewebe-Ebenen und in welchen Bereichen der Organismus ein gesundheitliches Problem im Sinne von "Dysbalance"/ Funktionsmuster/... zu präsentieren scheint.

Sodann erachte ich es als meine Aufgabe und mein Ziel, die notwendigen Rahmenbedingungen zu gestalten, um dem Körper zu helfen, seine gesundheitlichen Probleme selbst zu lösen. Hierfür ist es von grundlegender Bedeutung, einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Form & Richtung von Interaktion dem Organismus eine Hilfe sein kann, sein Gesundheitspotential möglichst optimal & "ungestört" ausdrücken zu können (d.h. wir "gehen" in Richtung von "Gesundheit", "Balance", "Leichtigkeit", "Harmonie", "normal", "kein Muster",...).

Mit anderen Worten: Während & durch die Behandlung sollen Bedingungen entstehen, die es ermöglichen, dass sich eine freie Dynamik - als Ausdruck von Vitalität und Gesundheit - auf möglichst allen Ebenen & in allen Regionen des Körpers einstellen kann.

 

Jeder Organismus besitzt grundsätzlich die Fähigkeit, sich selbst zu heilen, d.h. die angestrebte & notwendige Balance ganz von selbst wieder herzustellen. Aus meiner Sicht geht es also hauptsächlich darum, die o.g. Rahmenbedingungen zu gestalten, und die dann stattfindende natürliche Selbstregulation des Körpers möglichst wenig zu stören ("Find it, fix it, and [then] leave it alone. Let Nature do the rest.").

 

Voraussetzung für Ganzheitlichkeit in Diagnostik und Behandlung ist ein möglichst tiefes Verständnis & Bewusstsein bezüglich der Komplexität der einem Organismus innewohnenden Gesunderhaltungs-Mechanismen (Physiologie/ Mechanismen von Selbstregulation & Selbstheilung).

WAS IST EVOST


Welche Bedeutung kann in diesem Zusammenhang einem Blickwinkel wie EvOst zukommen, und WAS IST EVOST ?
EVOST steht für Evolutionäre Osteopathie, oder genauer gesagt, für Evolutionäre Medizin im Bereich der Osteopathie. Bis vor kurzem fehlte die evolutionäre Sichtweise vollkommen, heute entdecken die medizinischen Fachrichtungen langsam die Nützlichkeit dieser Sichtweise und ihrer Anwendung in der medizinischen Praxis; z.B. in der Notfallmedizin, Psychologie, Inneren Medizin, Infektionslehre, Genetik, Anthropologie und Osteopathie,...

 

Der evolutionäre, oder "darwinistische" Ansatz in der Medizin hilft, die Mechanismen von Gesundheit, Gesunderhaltung und Krankheit in lebenden Organismen zu verstehen und wertzuschätzen. Das Verstehen dieser Mechanismen erweist sich in der medizinischen und osteopathischen Praxis als extrem nützlich.

Die Osteopathie laut Dr. A.T. Still verfolgt in erster Linie das Ziel, die Gesundheit im lebenden Organismus aufzusuchen. Für jeden lebenden Organismus ist Gesundheit das Produkt seiner spezifischen evolutionären Geschichte, welche sowohl die Entwicklung der jeweiligen Spezies wie auch die individuelle "Embryologie" des jeweiligen Organismus beinhaltet.

 

Was heißt evolutionäre Entwicklung: Leben, wie wir es kennen, entwickelte sich vor ca. 3,8 Milliarden Jahren auf dem Planeten Erde. Seitdem haben sich aus diesen primären Lebensformen eine Vielzahl verschiedener spezialisierter Arten entwickelt und entfaltet. All diese Lebensformen haben ihre eigene Komplexität und Spezifikation entsprechend ihrer spezifischen Umgebung (und den daraus für sie folgenden Einflüssen oder "Gleichgewichts-Störfaktoren") entwickelt.

 

Evolution beinhaltet Selektion: Es ist die Umgebung und die Konkurrenz der Arten in dieser spezifischen Umgebung (millionenfache Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt), die zur Selektion führt: Nur jene Organismen, die sich in ihrer spezifischen ökologischen Nische der Umgebung und dem Konkurrenzkampf am besten angepasst haben (bzw. sich am besten anpassen können), werden überleben und sich so vermehren, dass ihre Population wächst. Die der Umgebung nicht mehr- oder schlecht- angepassten Organismen sterben- früher oder später- aus.

 

Während der Evolution wurde die Komplexität der Arten immer differenzierter bis hin zu Säugetieren, Primaten, und schließlich uns, den Menschen (bis jetzt...).

Ein enorm wichtiger, im Rahmen dieses Entwicklungsprozesses zu registrierender Umstand ist jener, dass jede Ebene von Komplexität stets auf die vorhergehende angewiesen blieb (& bleibt!), um den Organismus zu formen und seine Physiologie (Gesunderhaltung) funktionieren zu lassen! Die Evolution (der Komplexität) beinhaltet somit für jede Lebensform eine integrierte morphologische (strukturelle und funktionelle) Hierarchie und nachfolgende Chronologie- mit darauf folgender Gesundheits-/ Krankheits-Geschichte.

 

Es ist deshalb- aus dieser Perspektive- unmöglich bzw. wenig erfolgversprechend, an und mit der menschlichen Gesundheit und Gesunderhaltung zu arbeiten, ohne Bewusstsein und Respekt für diese innewohnende morphologische Hierarchie und Chronologie. Wird diese in Diagnose und Behandlung nicht respektiert, kann das fundamentale Gesundheitspotential nicht wieder voll hergestellt werden, da das zugrunde liegende Problem im System der Gesunderhaltung ("Fehlfunktion" oder "Unvermögen") oft nicht gelöst wird. Gesundheit- in diesem Sinne- ist der Zustand, wenn all diese Ebenen von Komplexität harmonisch zusammen funktionieren, wobei harmonisch bedeutet "ohne (fixierte) Muster".

 

In seinem Buch "Philosophie der Osteopathie" von 1899 schreibt Dr. A.T. Still:

"Gesundheit zu finden, sollte das Anliegen des [osteopathischen] Arztes sein... Er sollte die große Runde entlang der Wachtposten machen, und sich vergewissern, ob sie schlafen, tot sind oder ihren Posten verlassen haben... Bevor er rausgeht, seine Runden zu machen, sollte er wissen, wo sich alle Posten befinden und den Wert der Vorräte, die er zur Verfügung hat..." (Komplexität, Hierarchie und Chronologie des Lebens).

Darwinistische Medizin und Evolutionäre Osteopathie versucht, in genau diesem Verständnis zu arbeiten: Handeln, in dem Bewusstsein aller Posten und derer Bedeutung (Hierarchie und Chronologie für den ganzen Organismus und die ihn bildenden Systeme). Die Evolutionäre Osteopathie ist damit eine Betrachtungs- und Behandlungsweise, die versucht, die Erkenntnisse der evolutionären Biologie und der evolutionären Komplexität zu verbinden mit der traditionellen Philosophie der Osteopathie.